Geschäftliches - vom Nerd zum Unternehmer(-Nerd)
Die Anfänge
Im Jahr 1995 eröffnete ich mit Unterstützung meiner Eltern im Alter von 17 Jahren in Bingen am Rhein ein Fachgeschäft für IT und Computer, welches zugleich das erstes Internetcafé im Umkreis von 50 Kilometern darstellte: "Computerman" war geboren. Im Laden verkaufte ich Hard- und Software, in Bingen und Umgebung bot ich zudem einen Vor-Ort-Service rund um das Thema Computer an. Zwar war ich technisch kaum zu schlagen, kaufmännische Erfahrungen hatte ich aber naturgemäß keine. Während mit dem Vor-Ort IT-Service durchaus Geld zu verdienen war, war der Laden selbst eine große Fehlkalkulation und ein Verlustgeschäft, welches weder ich noch meine Eltern sich hätten auf Dauer leisten können. Nach nur einem Jahr schloss ich den Laden daher wieder. Aus dem Computerladen wurde meine erste GmbH, die "Computerman PC-Services GmbH". Das dafür nötige Startkapital erhielt ich von einem liebenswerten Herrn, der mit seinem Maklerunternehmen Kunde bei mir gewesen war, und nun in mich und den Aufbau des Unternehmens investierte.
Haupteinnahmequelle waren zunächst weiterhin IT-Dienstleistungen für die regionale Wirtschaft. Parallel konzipierte ich eine Software für den Unternehmenseinsatz und leitete die Entwicklung bis zur Fertigstellung eines marktfähigen Produktes. „Chatjet“, ein Chatsystem für die interne Unternehmenskommunikation und den webbasierten Live-Support für Kunden wurde auf der Computermesse Systems 1999 erstmalig vorgestellt und schaffte trotz des Zusammenbruchs der New Economy ("Dot Com Blase") um das Jahr 2000 den Durchbruch.
Während dieser Zeit sammelte ich wertvolle Erfahrungen als Geschäftsführer. Die Entwicklung und der Vertrieb von "Chatjet" an Kunden wie das Bankhaus Sal. Oppenheim, die Deutsche Post AG oder das Land Baden-Württemberg waren für meine späteren Aktivitäten nicht nur im Sinne von Erfahrungen in Projektleitung und Vertrieb nützlich.
Mit den Dienstleistungen von Computerman und dem Produkt Chatjet
wurde ich zwar nicht reich, das Unternehmen war aber profitabel
genug, um über viele Jahre mich wie auch eine kleine aber wachsende
Zahl von Mitarbeitern zu ernähren. Parallel schaffte mir das die
Möglichkeit mit Trial & Error oder auch Learning by Doing das zu
erlernen, wofür andere Menschen vielleicht eher ein Studium
bevorzugt hätten. Ob Rechnungswesen, das Schreiben von
Businessplänen, Buchhaltung oder auch Vermarktung - überall gab es
Dinge zu entdecken, zu verstehen und zu erlernen.
Die Idee zu Viprinet
2005 stand ich vor einem Problem - das entwickelte Chatserversystem Chatjet verkaufte sich zwar weiter gut. Zu den Kunden zählten nun aber Größen wie die Deutsche Post, die hiermit Mitarbeiterkonferenzen abhielten. Die dauerhafte Verfügbarkeit der von mir betriebenen Chatdienste, wie auch die Erreichbarkeit des Büronetzes der Computerman aus dem Internet war daher von entscheidender Bedeutung.
Dem gegenüber stand die Internet-Anbindung der Firma: Für eine 2 MBit/s Standleitung nebst Backupführung zahlte ich damals über 2.000 Euro im Monat, was diese zur größten laufenden Kostenposition machte. Und trotz aller Verfügbarkeitsgarantien des Providers fiel die Leitung ständig aus. So viel Geld für so wenig Leistung? Das konnte doch nicht sein.
Ich hatte die Idee, mir mehrere der mittlerweile erstmals in Bingen verfügbar gewordenen DSL-Anschlüsse legen zu lassen. Über jede dieser Leitungen wollte ich dann einen VPN-Tunnel zu meinem in einem Frankfurter Rechenzentrum beheimateten Servern aufbauen, um anschließend die Kapazität dieser Leitungen in Summe gebündelt zu nutzen. Die benötigten festen öffentlichen IP-Adressen wollte ich mir unabhängig vom Leitungsanbieter durch das VPN in mein Büro routen. Unterm Strich wollte ich also vollkommen unabhängig von Leitungsanbietern werden. Ein Problem gab es aber: Es gab keine Router, die mehrere unterschiedliche Leitungen hätten als VPN zusammenbündeln können.
Die Idee, zur Kostenersparnis mehrere Consumer-Breitbandleitungen gebündelt zu nutzen erschien mir naheliegend. Wenn die Idee einfach war, es hierfür aber keine Produkte gab, musste es also einen technischen Hinderungsgrund geben. Und so war es auch: Selbst bei nur minimal unterschiedlicher Laufzeiten von Datenpaketen auf den einzelnen Leitungen würden bei einer gebündelten Nutzung dieser Leitungen die Pakete beim Empfänger falsch sortiert ankommen. Eine solche Falschsortierung würde beim Internetprotokoll TCP/IP jedoch falsch als Paketverlust gewertet, was die Datenübertragungsrate einbrechen lassen würde. Das Internet war schlicht nicht dafür ausgelegt, dass die IP-Pakete einer einzelnen Datenverbindung gleichzeitig unterschiedliche Wege nehmen könnten.
Also machte ich mich daran, dieses technische Problem zu lösen. Ich erkannte dass bisherige Implementierungen des TCP/IP-Protokolls nicht für diesen Einsatzzweck erweitert werden konnten, alle Versuche in dieser Richtung anderer Hersteller waren gescheitert. Also entwickelte ich eine neue Implementierung, die erstmals eine solche VPN-Bündelung ermöglichte. Das Entwickeln eines eigenen TCP/IP-Stapels entpuppte sich dabei als ziemliche Mammutaufgabe.
Aber bereits Ende 2005 hatte ich einen entsprechenden Proof-of-Concept fertiggestellt. Ich hatte nun einen Software-Router, der in der Lage war mehrere verschiedene Leitungen gebündelt für ein VPN zu nutzen. In Kombination mit einem handelsüblichen PC, einem Linux-Betriebssystem und einem Stapel Netzwerkkarten und Modems hatte ich damit eine eine etwas gebastelt wirkende, aber betriebsfertige Lösung. Ich kündigte die Standleitung, und ersetzte diese mit mehreren gebündelten DSL-Zugängen. Damit hatte ich nun meine laufenden Anbindungskosten um 85% reduziert, und gleichzeitig die meinem Unternehmen zur Verfügung stehende Bandbreite vervielfacht.
Eigentlich hatte ich hier nur ein Problem für mich selbst lösen wollen. Es wurde mir aber recht schnell klar, dass Computerman wohl nicht das einzige Unternehmen sein würden, dass eine solche Einsparung und Verbesserung der Internetanbindung begrüßen würde. Da Internetanschlüsse für Privatkunden immer günstiger wurden, während Standleitungen für Unternehmen unverändert teuer blieben, war hier klar ein Absatzmarkt gegeben.
Gründung Viprinet
Als Softwarelösung konnte ich meinen Proof of Concept aber wohl kaum verkaufen - die Leute würden einen Hardwarerouter erwarten. Außerdem sah meine Bastellösung sehr chaotisch aus - sechs an einem Computer hängende ADSL Modems sorgten für einiges Kabelgewirr. Ich wollte also einen Router schaffen, bei dem die Modems bereits integriert sind, so dass man zur Bündelung mehrerer Leitungen nur ein einziges Gerät braucht.
Mit dem Entwicklerteam der Computerman GmbH sowie weiteren Freunden aus der Nerdcommunity (Demoszene) machte ich mich daran, ein entsprechendes Gerät zu entwickeln. Parallel gründete ich - wiederum zusammen mit Mitgliedern der Computerkunst-Community - das Unternehmen Viprinet GmbH, welches diese Entwicklung dann später an den Markt bringen sollte. Alle Gesellschafter brachten dazu ein wenig Geld mit. Als Dank für seine Unterstützung meiner Person erhielt auch mein Förderer und Mitgesellschafter bei der Computerman GmbH einige Anteile. Der Name Viprinet setzt sich übrigens aus "Virtual Private Network" zusammen.
Nachdem ich seit meinem siebten Lebensjahr programmierte, brachte ich sehr viele Jahre Erfahrungen im Bereich der Softwareentwicklung mit. Mit der Entwicklung von Elektronik und hatte ich allerdings bis dahin noch nicht zu tun gehabt, und es stellte sich als große Herausforderung dar. Beim Programmieren von Software hat man zwischen dem Entwurf des Programms und dem verkaufsfertigen Produkts in der Regel mehrere hundert Zyklen, in denen man testet und anschließend Fehler behebt. Bei der Entwicklung von Hardwareplatinen kostet aber die Produktion jedes Prototypen sehr viel Zeit und Geld, Fehler sind also teuer. Dazu kam erschwerend, dass schon 2005 in Deutschland kaum noch ITK-Hardware produziert wurde. Es war daher schwierig, nötige Bauteile überhaupt zu erwerben, da die großen Chiphersteller teilweise in Europa nicht einmal mehr einen Vertrieb unterhielten. Als wir beispielsweise Chips für die ADSL-Modems kaufen wollten, wurde uns als Mindestabnahme eine Stückzahl von 1 Mio Stück zu 7 USD angeboten. Es war auch bei der Beschaffung viel Kreativität gefragt, und es waren Einkaufsverbindungen nach China gefragt. Aus Sicht eines Softwareentwicklers kam mir die Hardwareentwicklung schrecklich langsam vor. Aus heutiger Perspektive weiß ich nun, dass wir tatsächlich rasend schnell vorangekommen waren.
Einen ersten funktionsfähigen Prototypen zeigten wir bereits auf der CeBIT 2007. Wir gewannen direkt einen Innovationspreis, und das Fernsehen berichtete. Wir stießen auf einiges Kaufinteresse. Zwar war es gut und wichtig, diese Bestätigung zu erhalten. Produzierbar oder gar verkaufsfähig waren unsere Produkte da aber noch lange nicht, weswegen aus dem Interesse zunächst kein Umsatz werden konnte.
Markteinführung und Finanzierungsprobleme
Unser minimales Startkapital war bald aufgebraucht. Als unsere Produkte im Jahre 2008 dann vor der Markteinführung standen, zeigte sich, dass der im Businessplan prognostizierte Kapitalbedarf nicht ohne weiteres eingebracht werden konnte – der hohen Komplexität der Materie standen schließlich noch keine messbaren Verkaufserfolge bei den Produkten gegenüber, und potentielle Kapitalgeber hielten das Vorhaben, in Deutschland einen Routerhersteller aufzubauen, für zu riskant. Unser Hausbank nahm zu diesem Zeitpunkt noch an, dass wir Waschmaschinen bauen würden.
Es musste also ein Investor gefunden werden. Über Kontakte eines bestehenden Gesellschafters wurde ein branchenfremder Privatinvestor eingeworben, Herr Hans-Jürgen S. Seine GERES-Group investierte in Windkraftparks. Der damalige Geschäftsführer Hans-Jürgen S. zeigte sich vom Unternehmen begeistert, und investierte Mittel aus seiner Beteiligung bei GERES. Damit war die Produktion der ersten Produktserie erst einmal gesichert. Auf der CeBIT 2009 zeigten wir dann erstmals, wie unsere Produkte auch in Fahrzeugen eingebaut genutzt werden konnten: Der Gigabus bot Live-Videostreaming an jedem Sitzplatz und superschnelles Internet im ganzen Bus. Der Messeauftritt entwickelte sich zu einem vollen Erfolg, und es konnten erste Vertriebspartner gewonnen werden.
Nachdem auch bei laufender Markteinführung keine weiteren Investoren gefunden werden konnte, mussten die Gründungsgesellschafter gemeinsam mit GERES immer wieder aus eigenen Mitteln mit Darlehen und Kapitalerhöhungen aushelfen, so dass alle Beteiligten an ihre wirtschaftlichen Grenzen gelangten. Im Zuge dessen verwässerten die Anteile der Gründer immer weiter, und als GERES dann noch die Anteile eines ausscheidenden Gesellschafters (der Anfangs erwähnte Immobilienmakler) übernahm, hielt GERES schließlich 62% der Geschäftsanteile der Viprinet GmbH. Die Gründer waren damit nun nicht mehr Mehrheits- sondern Minderheitsgesellschafter im eigenen Unternehmen. Da ich mich aber im Gesellschaftsvertrag abgesichert hatte (alle Entscheidungen bedurften meiner Zustimmung, es gab starke Rechte für Minderheitsgesellschafter), fühlte ich mich sicher. Ein Fehler.
Zerwürfnis unter den Gesellschaftern
Was wir bei Aufnahme des Herrn S. nicht gewusst hatten: Es gab in seiner GERES-Group einen uns unbekannten Mitgesellschafter. Im Verlauf der Jahre 2009 und 2010 wurde Herr S. dann laut seiner Aussage von diesem Mitgesellschafter, Herrn Norbert W., aus seiner Beteiligung an der GERES-Group "gedrängt". Er will für seine Beteiligung an GERES nur einen Euro erhalten haben, da sein Mitgesellschafter W. ihm gegenüber dargelegt habe, dass GERES Insolvenzreif sei.
In der Folge wurde das über die GERES gegebene Investment nunmehr von Herrn W. verwaltet. Herr W. passte nicht zu uns, und wir passten nicht zu ihm. Herr W. zeigte sich mit der strategischen Ausrichtung der Viprinet GmbH nicht einverstanden, das zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon recht rasante Wachstum wurde als nicht ausreichend empfunden, größere Risiken sollten zugunsten eines kurzfristigen Exits durch Beteiligungsverkauf eingegangen werden. Die Gründer bekamen den Eindruck, dass Herr W. schlicht dringend Geld brauchte - vor dem Hintergrund der damaligen Krise in der Windkraftbranche erscheint das schlüssig. Die Gründer inkl. mir hatten nicht die geringste Absicht das Unternehmen zu verkaufen.
Hieraus entstand zwischen GERES und den Gründungsgesellschaftern ein Zerwürfnis. Das Zerwürfnis vertiefte sich, als die Gründungsgesellschafter erfuhren, dass GERES-Mitarbeiter versucht hatte, ohne Genehmigung und im Widerspruch zum Gesellschaftsvertrag in verschiedenen Ländern das Unternehmen Viprinet bzw. "Nachahmungen" davon zu veräußern. So wurde von GERES-Mitarbeitern heimlich in den USA eine Firma "CASSI LLC" gegründet, die so tat als wäre sie unser Unternehmen. Ginge es um Menschen statt Firmen, würde man so etwas wohl als Identitätsdiebstahl bezeichnen. Für diese Firma, die so tat als gehörten ihr die Rechte an unseren Produkten, wurden dann Investoren und Käufer gesucht. Ein wirklich bizarrer Vorgang, schließlich hätte dies früher oder später auffliegen müssen. Das tat es auch, als sich ein solcher potentieller Käufer bei dem "echten" Unternehmen Viprinet meldete. Er war nach eigener Aussage kurz davor gewesen der "falschen" Firma Geld zu überweisen. Von ihm erhielten wir dann jede Menge Unterlage und Beweise. Ein vergleichbarer Versuch Dinge zu verkaufen, die einem gar nicht gehörten, wurde in Mexiko unternommen, wo ein weiterer Viprinet-"Klon" entstand (diesmal sogar unter Nutzung unseres geschützten Firmennamens).
Ab Mitte 2010 entstanden so zahlreiche Auseinandersetzungen unter den Gesellschaftern, die in 2011 dann in verschiedenen Versuchen von GERES gipfelten, die Kontrolle über das Unternehmen Viprinet zu erlangen. GERES setzte eine Anwalts-Großkanzlei auf uns an, die uns das Leben schwer machte, und erkennbar versuchte, in unseren Verträgen Lücken zu finden, um sich über die Intentionen des Gesellschaftsvertrages hinwegsetzen zu können. Zwar war es laut diesem Vertrag unmöglich, mich gegen den Willen der Gründer als Geschäftsführer abzuberufen. Man konstruierte aber so lange Vorwürfe, bis man das dann nach einigen negativen Entscheidungen irgendwann doch noch gerichtlich genehmigt bekam. Wiederum auf Basis von Viprinet-Mitarbeitern zugespielten Dokumenten (rechts sehen Sie ein Auszug davon) kann man auf eine Motivation schließen: Nachdem der "Unternehmens-Identitätsdiebstahl" nicht funktioniert hatte, behauptete man nun gegenüber potentiellen Investoren, dass CASSI LLC zumindest die Kontrolle über Viprinet habe. Das hat natürlich ebenfalls nicht gestimmt. Zum Glück scheint niemand wirklich bezahlt zu haben. Das FBI ermittelte trotzdem gegen die betreffenen Mitarbeiter von GERES.
Trotz des Zerwürfnisses unter den Gesellschaftern entwickelte sich Viprinet selbst weiterhin sehr gut. Im Jahr 2011 schrieb das Unternehmen sogar trotz allem erstmals Gewinne.
Aufgrund der Auseinandersetzungen war das Unternehmen allerdings seit 2010 von jeglichen Fremdfinanzierungsmöglichkeiten abgeschnitten. Um weiter wachsen zu können hätte es den weiteren Aufbau eines Komponentenlagers gebraucht. Das ganz insbesondere, weil zu der Zeit aufgrund von diversen Katastrophen in Asien die Verfügbarkeit von Elektronikbauteilen sehr wechselhaft war. Wir hätten also eigentlich Bauteile bunkern müssen, dafür fehlte uns aber das Geld: In 2011 standen monatliche Umsätze von bis zu 350.000 Euro sowie einem Warenlager mit einem Einkaufswert von über 500.000 Euro zusammen nur ein Kontokorrentkredit der Hausbank von 233.000 Euro gegenüber. Wir mussten unser Warenlager also fast ausschließlich aus unserem Cash-Flow bedienen.
Das Zerwürfnis unter den Gesellschaftern konnte auch mit wochenlangen Verhandlungen nicht beseitigt werden, auch zu höchstmöglich denkbaren Bewertungen war GERES nicht bereit, seine Anteile an die Gründer zurück zu verkaufen. Den Gründern ihre Anteile abkaufen mochte GERES aber eben so wenig. Da zeigte sich übrigens auch eine bizarre Hassliebe: Herr W. wollte mir die Kontrolle des Unternehmens entreißen, war aber der Überzeugung, dass das Unternehmen ohne mich nichts Wert sei. Diese Haltung, dass man gerne mein Gehirn behalten würde, meine Persönlichkeit aber entfernen, ist mir in meinem Leben mehrfach begegnet. Sie ist für mich nachvollziehbar, ich hätte aber bei meinen Mitmenschen gewünscht, dass ihnen die biologische Unmöglichkeit dieses Wunsches bewusster gewesen wäre.
Die Lage war also völlig festgefahren. Eine Unternehmensfinanzierung war unmöglich. GERES' Bemühungen, die Kontrolle über das Unternehmen zu übernehmen sorgten für eine zunehmende Blockade und teilweise den völligen Stillstand des Unternehmens. Man versuchte mich mit einstweiligen Verfügungen als Geschäftsführer abzuberufen (was kurzzeitig sogar gelang), womit das Unternehmen führungslos gewesen wäre. Man versuchte einen "Notgeschäftsführer" einzusetzen, den dann Viprinet-Mitarbeiter als Hochstapler mit falschem Lebenslauf und zu Unrecht getragenen Doktortiteln entlarvten und gerichtlich entfernen ließen. Das ganze ging soweit, dass GERES ernsthaft versuchte das Firmengebäude zu erstürmen und zu besetzen. Als die Mitarbeiter auch das verhindert hatten (Türen wurden verbarrikadiert, ein Sicherheitsdienst beauftragt, und der Gebäudevermieter erteilte allen GERES-Mitarbeitern Hausverbot), wurden die Angriffe immer verrückter. So schrieb GERES in Abwesenheit der Mitgesellschafter einen "Gesellschafterbeschluss" nieder, der sie selbst dazu autorisierte, unseren Mietvertrag zu kündigen, womit das Unternehmen "obdachlos" geworden wäre.
Es verdichtete sich bei den Gründern nun der Eindruck, dass es nun nicht mehr um die Übernahme der Kontrolle des Unternehmens ging, sondern um dessen operative Zerstörung. Denn mittlerweile waren Viprinet die ab 2007 von mir beantragten Patente erteilt worden - was ja eigentlich eine wirklich tolle Neuigkeit zugunsten der Gesellschafter war. In Zusammenhang mit den von CASSI LLC (und damit GERES-Mitarbeitern) niedergeschriebene Plänen, die Produktion nach China zu verlagern und/oder das Unternehmen zu verkaufen kann man davon ausgehen, dass man nun hoffte, dass man zumindest diese Patente zu Geld machen könnte.
In der Summe waren die Zustände völlig untragbar, und sorgten bei den Beteiligten für heftige Traumata. Nach dem erfolglosen Versuch das Unternehmen zu erstürmen traute ich mich nur noch mit Bodyguards aus dem Haus. Ich war in einem völlig absurden Horrorszenario gelandet. Ich suchte verzweifelt nach einem Ausweg, bei dem ich das von mir gegründete Unternehmen - und die dort beschäftigten Freunde und Familie - nicht aufgeben hätte müssen.
Viprinet Insolvenz
Trotz dieses Wahnsinns gelang es uns, zur CeBIT 2012 neue Produkte herauszubringen. Nachdem das geschafft war, zog ich im März 2012 dann die Reißleine, und stellte beim Amtsgericht Bingen Insolvenzantrag. Das Unternehmen wurde unter die vorläufige Verwaltung eines Insolvenzverwalters gestellt. Damit war das Unternehmen endlich der Kontrolle durch die sich bekriegenden Gesellschafter entzogen. Ich selber stand zwar weiter unter heftigem Beschuss, aber die Firma und seine Mitarbeiter mussten nun nicht länger unter den Gesellschaftern leiden. Ich musste allerdings damit leben, dass das von mir investierte Kapital inkl. von mir an das Unternehmen gegebene Bürgschaften damit erst einmal futsch waren.
Da das Unternehmen in seiner gesamten Struktur auf mich als zentrale Figur ausgerichtet war, war auch dem Insolvenzverwalter schnell klar, dass eine Fortführung der Viprinet GmbH nur unter der Leitung meiner Person möglich sein würde. Er erkannte, dass das Unternehmen bei meinem Ausscheiden, also bei einem Verkauf an Dritte, seiner Werte größtenteils verlustig werden würde, da ein Großteil des Know-How's sich in meinem Gehirn befand. Dennoch war es auch unter Vermittlung des Insolvenzverwalters nicht möglich, GERES zu einem Beteiligungsverkauf zu bewegen.
In enger Zusammenarbeit mit meiner Person wurde das Unternehmen durch den Insolvenzverwalter beinahe nahtlos weitergeführt – es kam zu keinem Verlust von Lieferantenbeziehungen oder Mitarbeitern. Selbst die über eine Factoringgesellschaft den Partnern der Viprinet eingeräumten Lieferantenkredite konnten ohne Unterbrechung fortgeführt werden.
Das Insolvenzverfahren wurde von den meisten Beteiligten als Chance betrachtet, dem Unternehmen eine weiterhin erfolgreiche Zukunft unter neuer Gesellschafterstruktur zu ermöglichen. Wenn die Gesellschafter sich nicht auf eine Trennung einigen konnten, so würden sie nun eben zwangsweise getrennt werden.
Der "forcierte Management Buy-Out"
Der Insolvenzverwalter empfand es als das sinnvollste, das Unternehmen in einem öffentlichen Verkaufsprozess zu verkaufen und dies zu bewerben. Die Gläubigerversammlung der Viprinet GmbH sollte dann entscheiden, welches der eingereichten Angebote angenommen werden würde. Die Gründungsgesellschafter entschieden sich, ebenso wie GERES und einige Dritte, auf das Unternehmen zu bieten. Das höchste und beste Gebot kam von meiner Kissel Ventures GmbH und meinen Mitstreitern. Es war so gestaltet, dass das Geld reichen sollte um alle Verbindlichkeiten zu bezahlen - niemand außer den Verursachern selbst sollte leiden müssen unter der Insolvenz.
Während GERES - vorsichtig gesagt - nicht gerade Begeisterungsstürme im mit Mitarbeitern, Partnern und Lieferanten von besetztem Gerichtssaal entfachte, erhielt mein Angebot dort vollste Unterstützung. Ob Arbeitsamt, Mitarbeiter, Lieferanten oder Banken - alle sprachen sich deutlich für meinen Plan aus. Letztendlich wurde abgestimmt, das Ergebnis war überwältigend klar. Jubel brandete auf, und bei Viprinet wurde umfänglich gefeiert. Es gab GERES-Dosenwerfen, GERES-Dart und eine riesige GERES-Piñata.
Viprinet startet neu als Viprinet Europe GmbH
Aufgrund des Insolvenzverfahrens der Viprinet GmbH und der damit verbundenen Verunsicherung im Markt existierte ein erheblicher Rückstau bei projektbezogenen Aufträgen – viele Kunden hatten mit einer Beauftragung abgewartet, bis ein gesichertes Nachfolgeunternehmen der Viprinet GmbH bereit stand. Die neue Viprinet Europe GmbH konnte daher direkt nach Übernahme der Geschäftstätigkeit eine hohe Zahl von Aufträgen abwickeln. Das Vertrauen im Markt war schnell wieder hergestellt. Operativ geändert hatte sich schließlich außer dem Zusatz "Europe" der GmbH-Firmierung ja nichts.
Die GERES-Verwaltungsgesellschaft stellt Insolvenzantrag
Sehr viel schwieriger als erwartet gestaltete sich die Mission, den Insolvenzverwalter dazu zu bringen, das an ihn gezahlte Geld auch wieder an die Gläubiger herauszurücken. Es half sicher nicht, dass Herr W. und GERES ihren Bürgschaftsverpflichtungen nicht nach kamen, sondern die GERES Verwaltungsgesellschaft sich erst umbenannte, um dann Insolvenzantrag zu stellen. Dank dieser Insolvenz bei GERES musste Herr W. zur Abfindung der Gläubiger nichts beitragen. Klagen rund um dieses und weitere GERES-Themen verzögerten zudem den Abschluss des Insolvenzverfahrens bei Viprinet um Jahre. Die Gläubiger mussten damit viel länger auf ihr Geld warten, als ihnen eigentlich noch im Gericht vom Insolvenzverwalter zugesagt worden war. Erst Anfang 2017 stand das Verfahren dann endlich vor seinem Abschluss.
Zurück auf Wachstumskurs
Nach dem GERES ausgeschieden war, kam Viprinet schnell wieder auf Wachstumskurs. Während zu Beginn der Viprinet-Geschichte noch der preisgünstige Ersatz teurer Standleitungen das Hauptverkaufsargument war, hatte sich das mittlerweile gewandelt: Immer mehr Daten und Dienste wurden von Unternehmen in die Cloud ausgelagert, auch für missionskritische Anwendungen. Ausfälle der Anbindung sorgten so dafür, dass Unternehmen viel Geld verloren, und teils sogar Menschenleben in Gefahr waren. Die Ausfallsicherheit der Produkte von Viprinet standen damit nun im Vordergrund. Auch die Enthüllungen von Snowden sorgten für ein Bewusstsein dafür, dass es ein Vorteil ist, wenn kritische Netzwerkinfrastruktur in Deutschland hergestellt wird, statt aus den USA oder China zu kommen.
Gründung Innovationspark Bingen
Mit dem Wind im Rücken wuchsen die Umsätze. Bald wurde der Platz knapp in unseren Büro- und Produktionsräumen. 2014 wagte ich dann einen großen Schritt: Gemeinsam mit einem Partner und unterstützt von der Hausbank kauften wir das 12.000qm große ehemalige Areal von Racke in Bingen. Damit war nun nicht nur genug Platz für Viprinet, sondern auch die Option mit diesem Unternehmen als "Leuchtturm" ein Hightech-Gründerzentrum in bester Lage im Mittelrheintal zu erschaffen. Kombiniert wurde das ganze mit von uns entwickelten wegweisenden Energiekonzept, welches hoffentlich ab 2017 zur Umsetzung kommen wird. Auch meine übrigen Beteiligungen bei der Kissel Ventures GmbH haben hier künftig ihr Zuhause.
Wir haben dabei erst einmal klein angefangen, und bauen dabei unter Vollvermietung Stück für Stück um und aus. Aktuell entsteht in einer ehemaligen Weinlagerhalle ein ziemlich beeindruckendes Fotostudio, als nächstes wird dann Viprinet innerhalb des Geländes in neu sanierte Flächen übersiedeln.
Langfristig sind unsere Pläne aber größer: Die ehemalige Großkellerei umfasst einen umfangreichen Gebäudekomplex zwischen Stefan-George-Straße und Gaustraße. Hier soll in den kommenden Jahren ein einzigartiger Platz zum Arbeiten und Wohnen entstehen. Im Einklang mit dem Bebauungsplan der Stadt Bingen beruht das Gesamtkonzept auf einer generellen Wiederbelebung des Geländes und Wandlung in einen „Innovationspark“, dessen Umweltbilanz bundesweit Alleinstellungsmerkmal genießen soll. Damit das klappt, müssen wir allerdings noch einige Co-Investoren finden. Details über das Projekt lassen sich auf der Website des Innovationsparks nachlesen.
Großinvestitionen bei Viprinet
Im Jahre 2014 konnten wir glücklicherweise einen neuen Mitgesellschafter bei Viprinet gewinnen, welcher ein großes Investment einbrachte. Erstmals in der Geschichte von Viprinet hatten wir nun die Möglichkeiten, langfristige strategische Investitionen zu tätigen, statt immer von der Hand in den Mund zu leben. So konnten wir uns zwei Jahre lang Zeit nehmen, um eine völlig neue Generation von Produkten zu entwickeln, sowohl was Hard- als auch Software anging - nach 8 Jahren der Produktpflege war es für einen "Rewrite" höchste Zeit. Die Früchte aus diesen Bemühungen werden wir ab 2017 nun ernten.
Wirklich aufwändig war das Vorhaben, weg zu kommen von Einmalumsätzen als Gerätehersteller. Das Problem dabei war, dass unsere Produkte schon immer durch ihre Qualität und Modularität langlebig waren, dies mit der neuen Produktgeneration aber auf eine neue Ebene gehoben wurde. Wie sollten wir leben können, wenn Kunden nur alle 5-10 Jahre etwas kauften, aber dazwischen dauerhaft Support und Firmwareupdates bekommen wollten? Unser Geschäftsmodell war nicht nachhaltig, und würde uns irgendwann umbringen. Wir mussten also anfangen auf dauerhaft fließende Umsatzströme zu setzen. Es ist aber äußerst schwierig, ein bestehendes Geschäftsmodell zu ändern, und dabei nicht seine Partner und Kunden zu verärgern. Es hat uns ein Jahr Vorbereitung und viel Überzeugungsarbeit gekostet, um das erfolgreich hinzu bekommen. Ohne Folgen blieb es aber nicht: Viel verloren einige verärgerte Partner, und konnten 2016 kein Umsatzwachstum verzeichnen. Umsätze fließen bei neuen Projekten künftig regelmäßig und dauerhaft statt zum Anfang der Geschäftsbeziehung - wir haben uns also darauf eingestellt, dass es ein gutes Jahr dauern wird, bis die Zahlen wieder deutlich nach oben gehen (dann aber eben nachhaltig).
Nicht 100% geglückt sind Investitionen in den Management-Aufbau: Nachdem das Unternehmen Ende 2014 mittlerweile 50 Mitarbeiter hatte, ging zu viel meiner Zeit dafür drauf, das operative Geschäft zu managen, statt mich um Strategie und Vision kümmern zu können. Nachdem wir nun die Finanzmittel dazu hatten, entschieden wir uns daher dazu, erstmals in der Geschichte von Viprinet unsere Führungskräfte nicht selber "heranzuzüchten", sondern erfahrene Manager einzukaufen. Diese sorgten aber für eine Explosion bei unseren Lohnkosten, und passten teils auch nicht ganz zur Unternehmenskultur. Im Bereich Vertrieb war zudem durch Arbeitsverträge über Landesgrenzen hinweg ein bürokratisches Monstrum geschaffen worden. Ich hatte mir das mit dem Zukaufen von Kompetenz wohl ein wenig zu einfach vorgestellt, und war wieder um eine Erfahrung reicher.
Unterm Strich war die von 2014 bis 2015 dauernde Investmentphase eine gute Entscheidung, die das Unternehmen weiter nach vorne gebracht hat. Ein Haken soll aber nicht unerwähnt bleiben: Wenn man in Recht kurzer Zeit mehrere Millionen Euro investiert, muss man diese Investments nach deutschem Bilanzrecht nicht wirklich zutreffend zum großen Teil als Ausgaben und damit als Verlust verbuchen. Und obwohl es uns so gut ging als Unternehmen wie nie zuvor, und wir die richtigen Weichen gestellt hatten, sah unsere 2015er Bilanz deswegen dann aus, als hätte bei uns ein Meteorit eingeschlagen. Das deutsche Bilanzrecht in Kombination mit einer völlig unsinnigen Art, Risikokapitalinvestments zu besteuern, ist der Grund, warum in Deutschland im Vergleich zu anderen westlichen Ländern so gut wie nichts mehr an Risikokapital investiert wird.
Viprinet Americas Inc.
In vorherigen Jahren hatte ich schon mehrfach versucht, mit Partnern zusammen einen Markteintritt in den USA hinzubekommen. Besonderes gut geglückt war mir das nie. Als es 2010 einmal so aussah, als hätte ich es geschafft, brach in den USA die Häuserkrise aus. Das hatte zur Folge, dass unser Partner in den USA Kundengelder abgriff, und damit das mühsam aufgebaute Geschäft zugrunde richtete. Ich war was die USA anging also ein gebranntes Kind. Meine Mitgesellschafter bei Viprinet waren ebenso vorsichtig, und das führte zu einem sehr teuren Fehler. Doch der Reihe nach:
2014 gründete ich - zunächst nur auf dem Papier - in den USA die Viprinet Americas Inc. Ein Jahr drauf folgte dann auch ein Büro in Sunnyvale, im Herzen des Silicon Valleys (direkt zwischen Google und Apple).
Anekdote dazu: Ich dachte mir, dass es in direkter Nachbarschaft zu Google doch sicherlich Google Fibre (Glasfaser) geben müsste. Pustekuchen: DSL mit maximal 1 MBit/s war und ist verfügbar. Wie auch schon in Bingen gilt also das "Eat your own Dogfood"-Paradigma: Ohne unsere Routertechnik könnte das Büro, von dem aus wir diese Technik vertreiben, überhaupt nicht betrieben werden...
Das Team bestand aus einem aus Deutschland entsendetem technischen Mitarbeiter und je einer Vollzeitkraft aus den Bereichen Vertrieb, Verwaltung und Marketing (welche aus der Gegend kamen). Dazu kam ein Geschäftsführer - einem seebärigen und sehr liebenswerten älteren Dänen. Bei dem Herrn handelte es sich um einen guten Bekannten einer unserer Gesellschafter, und wir alle vertrauten ihm und fanden ihn äußerst symphatisch. Wir hatten keine Probleme, ihm sehr viel von unserem Geld anzuvertrauen.
Eigentlich jedes deutsche Unternehmen, was in den USA versucht Geschäfte zu machen, unterschätzt die interkulturellen Unterschiede. Ich war auf diese gut vorbereitet, am Ende trafen sie uns dann doch härter als erwartet. Das zeigte sich z.B. im Bereich Marketing sehr deutlich. Als wir unseren Auftritt auf der IT-Messe Interop in Las Vegas vorbereiteten, zeigte sich dass die Amerikaner im Team über den bei Viprinet verbreiteten schwarzen Humor kaum lachen konnten, während wir deren Vorstellungen davon, wie eine gewitztes Messekonzept aussehen konnte, für kindisch und peinlich hielten. Am Ende stand ich dann tatsächlich in einem Leihsmoking auf einem Messestand mit "James Bond"-Thema. Zu meiner völligen Überraschung kam das total gut an, und wir bekamen viele Komplimente.
Zurück zum teuren Fehler: Bei unserer Begeisterung für die Liebens- und Vertrauenswürdigkeit für die entsendete Führungskraft ließen wir einige mindestens genauso erhebliche Aspekte außer Acht. In den USA läuft Verkauf und Vertrieb sehr stark über die emotionale Ebene und persönliche Beziehungen. Und das Silicon Valley ist eine sehr eingeschworene Gemeinschaft mit vielen Seilschaften. Man muss extrem viel soziales Netzwerken betreiben, um dort Relevanz zu erhalten. Zudem sind die Lebenshaltungskosten und damit die Gehaltskosten so hoch, dass im Bereich Personal jeder Fehler ein sehr teurer ist, man als Manager also schnell die richtigen - und nur die richtigen - Leute finden muss.
Es zeigte sich, dass die Führungskraft zwar vertrauenswürdig war, aber die totale Fehlbesetzung. Er war zu gutgläubig, und es gelang ihm nicht, im Silicon Valley Kontakte zu knüpfen. Dafür produzierte er aus europäischer Sicht betrachtet gigantische Kosten. Und so war nach nur 12 Monaten bereits eine Million Euro verbrannt. Die immer wieder versprochenen Umsätze waren ausgeblieben. Mangels Zeit und besserer Ideen griffen wir von Deutschland aus aber viel zu spät ein. Als sein Vertrag dann auslief und wir ihn nicht verlängern wollten, verklagte er uns zum Abschied übrigens vor einem kalifornischen Arbeitsgericht: Wir hätten ihn diskriminiert, weil er Däne sei.
Graswurzeln sind eine gute Sache
Meine Versuche, operative Verantwortung durch Zukauf erfahrener älterer Männer loszuwerden, hatten also nicht besonders gut gefruchtet, sondern vor allem viel Geld gekostet. Ich sah ein, dass ich mein diesbezügliches Ziel wohl doch nicht so kurzfristig erreichen konnte. Ich kehrte Ende 2015 dann zurück zu dem, womit ich bei Viprinet eigentlich ja immer erfolgreich gewesen war: Graswurzelmäßig Mitarbeiter dauerhaft fördern und weiterbilden, und sie dazu zu animieren, immer mehr lernen zu wollen.
An meinen Wesenszügen des Kontrollfreaks hatte ich bereits gearbeitet. Mit meinem steigenden Bedürfnis nach mehr Selbstverwirklichung im Bereich Innovation und Vision hatte ich mir selbst eine erhebliche Motivation geschaffen, mich da noch weiter zu verändern, und endlich dafür bereit zu sein, umfassend Kontrolle abzugeben. Damit waren nun die Voraussetzungen geschaffen für einen sanften Pfad hinaus aus dem Patriarchat.
Ab Ende 2015 förderte, forderte und "empowerte" ich nun ein Team aus langjährigen und erfolgreichen Mitarbeitern, um sie Fit für die operative Führung unseres Unternehmens und den Ersatz meiner Person zu machen. Bei Viprinet in Deutschland entstand so eine Runde aus Bereichsleitern, die als Arbeitskreis bald in der Lage waren, gemeinsam Entscheidungen durchdacht und analytisch zu treffen, ohne von einem einzelnen Alphatier dominiert zu werden. In den USA lies ich eine Ehepaar aus Marketingfrau und Techniknerd, welche zuvor gemeinsam in Eigenregie in den USA als Partner unsere Produkte verkauft hatten, ans Steuer.
Diesmal ging der Plan auf. Ich habe ein Ziel erreicht, was ich schon lange hätte erreichen sollen: Würde ich morgen vom Bus überfahren werden, wäre das sicher schade, aber das von mir gegründete Unternehmen sollte in der Folge dann nicht auch sterben müssen. Ohne das als Aufruf an Busfahrer zu Gewalt mir gegenüber missverstanden wissen zu wollen, sei hier gesagt, dass das nun gegeben ist. Vor einigen Jahren hätte ich mir kaum vorstellen können, mir das zu wünschen, aber nun ist es soweit: Ich bin nicht mehr unersetzbar.
Heute habe ich bei Viprinet nun ein engagiertes, loyales und dennoch mir gegenüber emanzipiertes Management-Team, und bin im operativen Geschäft nur noch wenig involviert. Das hat mir den Freiraum geschaffen, um an nun an weiteren Zielen arbeiten zu können.
Ausblick
Seit ich vor 20 Jahren meinen Computerladen eröffnet habe, bin ich einen weiten Weg gegangen. Mir ist es gelungen, an meinen ehemals ausgeprägten sozialen Defiziten zu arbeiten, ohne dabei meine Liebe für Logik und Analytik aufgeben zu müssen. Das von mir aufgebaute Unternehmen Viprinet ist mittlerweile erwachsen geworden, was es mir ermöglicht, parallel weitere Innovationen anzugehen. Nachdem viele meiner Kindheitserinnerungen auf IT-Erfindungen aus dem Silicon Valley basieren, ist es mir eine Herzensangelegenheit, auch dort erfolgreich geschäftlich vertreten zu sein. In den nächsten Jahren werden von meinem Unternehmen Nerdherrschaft ausgehend einige neue Erfindungen an den Start gehen, während Viprinet weiter gedeiht und von mir auf strategischem Kurs gehalten wird. Parallel werde ich dafür sorgen, dass meine Vision meines Innovationsparks schrittweise in die Tat umgesetzt wird.
Sie hören von mir.